Wie spricht man über eine Krankheit, die so viele betrifft – und doch oft unsichtbar bleibt?
Etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr an Depressionen. Viele von ihnen kämpfen im Stillen – aus Angst, Scham oder Unverständnis. Umso wichtiger sind Räume, in denen Offenheit, Verständnis und Mut entstehen können. Einen solchen Raum haben die Robert-Enke-Stiftung und der SV Werder Bremen am Donnerstagabend im Weserstadion geschaffen.
Rund 100 Gäste kamen zusammen, um über den Umgang mit Depression zu sprechen – aus Sicht von Betroffenen, Angehörigen, Expert*innen und Vereinsverantwortlichen. Moderiert wurde der Abend von Christoph Pieper, Leiter Kommunikation bei Werder Bremen. Zum Auftakt sprach der aus Toulouse zugeschaltete ehemalige Werder-Spieler Niklas Schmidt, der 2023 seine eigene Depressionserkrankung öffentlich gemacht hatte.
Niklas Schmidt sprach offen über seine Erfahrungen und den Mut, mit seiner Erkrankung an die Öffentlichkeit zu gehen. „Ich habe auf meine Offenheit viel Offenheit zurückbekommen. Das hat mir sehr geholfen“, sagte er. Heute will er anderen Betroffenen zeigen: Über Depression zu sprechen ist kein Zeichen von Schwäche – sondern von Stärke.
Auch Tarek Brauer, Geschäftsführer Organisation & Personal beim SV Werder Bremen, fand sehr persönliche Worte. Er sprach über seinen Bruder, der an Depression erkrankte und sich das Leben nahm. „Ich dachte lange, dass ich mit Zuneigung etwas verändern kann. Aber Liebe heilt diese Krankheit nicht“, sagte Brauer. Seine Erfahrung habe nicht nur seinen Blick auf Depressionen verändert, sondern auch seine Verantwortung als Vereinsverantwortlicher: „Wir wollen Räume schaffen, in denen Betroffene sich äußern können – und verstanden fühlen.“
Prof. Dr. Marc Ziegenbein, Ärztlicher Direktor und Chefarzt des Klinikums Wahrendorff sowie Kuratoriumsmitglied der Robert-Enke-Stiftung, erklärte, warum Depression so schwer greifbar ist: „Es gibt nicht die Depression – sondern ein Spektrum von Ausprägungen. Entscheidend ist, sie ernst zu nehmen und zu behandeln.“
Er betonte: Depression ist in den meisten Fällen gut behandelbar – und Heilung ist möglich. Der wichtigste erste Schritt sei es, zuzuhören und offen zu bleiben.
Mit beeindruckender Klarheit sprach Teresa Enke, Vorstandsvorsitzende der Robert-Enke-Stiftung, über ihre persönlichen Erfahrungen nach dem Tod ihres Mannes Robert Enke. „Er wollte nicht gehen – er konnte nicht mehr“, sagte sie. Ihr Appell: Depressionen müssen als ernsthafte Erkrankungen verstanden und behandelt werden – genauso selbstverständlich wie körperliche Krankheiten. „Ein depressiver Spieler sollte genauso betreut werden wie jemand mit einem Kreuzbandriss.“
Ehemaliger Bundesligaprofi Martin Amedick berichtete von seinen eigenen Ängsten während seiner aktiven Karriere. „Mein Gedanke war immer: Was passiert, wenn das rauskommt?“, erzählte er. Heute blickt er hoffnungsvoll auf die Veränderungen der letzten Jahre – mehr Offenheit, mehr Verständnis, mehr Gesprächsbereitschaft.
Auch Ronald Reng, Journalist, Autor und enger Freund von Robert Enke, sprach über die Verantwortung der Gesellschaft: „Vorbilder sind wichtig, aber sie dürfen nicht allein das Gewicht der Veränderung tragen. Jeder Mensch verdient Verständnis und Unterstützung.“
Die Veranstaltung hat gezeigt, wie viel Kraft in Offenheit und Begegnung steckt. Bereits im Vorfeld hatten Mitarbeitende und Jugendspieler*innen von Werder Bremen die Möglichkeit, mithilfe der VR-Erfahrung „Impression Depression“ einen Perspektivwechsel zu erleben – und sich in die Gedankenwelt eines erkrankten Menschen hineinzuversetzen.
Am Ende des Abends stand eine klare Botschaft:
Depression ist keine Charakterschwäche. Es ist eine ernsthafte, behandelbare Krankheit – und sie braucht unsere ganze Aufmerksamkeit.